Wie wirkt sich die Pandemie auf die städtischen Versorger aus?
Bei den städtischen Versorgungsbetrieben sind sämtliche Geschäftsbereiche vor allem durch die stark gesunkene Nachfrage betroffen, wodurch sie drastische Umsatzeinbußen verzeichnen. Im öffentlichen Nahverkehr hat sich das Fahrgastaufkommen deutlich reduziert und auch die Schwimmbäder sind nur schwach besucht (derzeit sind sie sogar wieder komplett geschlossen). Gleichzeitig haben die Betreiber höhere Aufwände zur Umsetzung der erforderlichen Schutzmaßnahmen und müssen zusätzliches Geld ausgeben, beispielsweise für Masken und Desinfektionsmittel. Auch die Bereiche Gas und Strom sehen sich mit geringeren Umsätzen konfrontiert. Hier ging die Abnahmemenge aus großen Industriebetrieben so stark zurück, dass sie auch nicht durch den Mehrbedarf in privaten Haushalten (z.B. aufgrund von Home-Office) ausgeglichen werden kann.
Wie reagieren die Versorger auf die Umsatzeinbußen?
Um diese Umsatzverluste zu kompensieren, müssen umfangreiche Sparmaßnahmen ergriffen werden. Es stellt sich hier die Frage, welche Projekte man zurückstellen kann, denn nur die wirklich wichtigen Projekte können in dieser Situation noch umgesetzt werden.
Wie ist die finanzielle Lage in der Sozialwirtschaft?
Da gemeinnützige Einrichtungen keinen Gewinn generieren dürfen, gibt es in diesem Umfeld kaum Rücklagen. Sie sind also finanziell stark abhängig von ihren aktuellen Einnahmen und ihren direkten Geldgebern. Je nach Art der Einrichtung kommen die finanziellen Mittel aus verschiedenen Töpfen: von den Bistümern oder von der öffentlichen Hand.
Viele Themen werden aus den Kommunen heraus finanziert, darunter fallen zum Beispiel Frauen-, Suchtberatung, Wohngeld oder Behindertenhilfe. Die Kommunen selbst sind dabei vor allem von den Einnahmen der Gewerbesteuer abhängig, welche in der aktuellen Situation geringer ausfallen. Dies wird zu einem erhöhten Verteilungskampf zwischen sozialen Themen und anderen Projekten führen, wie beispielsweise Bauvorhaben. Diese Entwicklung ist zwar nicht unmittelbar existenzbedrohend, jedoch wird in absehbarer Zeit der ohnehin schon geringe Spielraum für neue Projekte, Innovationen oder Erweiterungen noch stärker schrumpfen.
Auch die Bistümer verzeichnen weniger Steuereinnahmen, da die Löhne durch Kurzarbeit sinken und auf das Kurzarbeitergeld keine Kirchensteuer gezahlt wird. Somit steht auch an dieser Stelle weniger Geld für soziale Organisationen zur Verfügung.
Mit welchen Herausforderungen haben die sozialen Einrichtungen vor Ort zu kämpfen?
Neben diesen Finanzierungsaspekten hat Corona auch direkten Einfluss beispielswiese auf Alten-, Pflege-, oder Behindertenheime. Es herrscht in vielen Einrichtungen ein erhöhter Krankenstand beim Personal, da man derzeit auch bei milden Krankheitserscheinungen aus Vorsicht eher zuhause bleibt. Um diese Ausfälle zumindest halbwegs zu kompensieren, entstehen bei den anderen Pflegekräften weitere Überstunden. Problematisch ist auch die Nachbelegung der Betten, denn nur wenn sie belegt sind, erhalten die Einrichtungen die entsprechenden Zuwendungen und Zahlungen. Darüber hinaus ergeben sich durch Corona immense Mehrkosten. Es werden zusätzliche Masken, Schutzkittel sowie Desinfektionsmittel gebraucht und das Personal benötigt durch die strengen Schutzmaßnahmen für alle Arbeiten viel mehr Zeit.
Wodurch könnte das Pflegepersonal entlastet werden?
Aus unseren Projekten heraus sehen wir in der Branche sehr große Potentiale, um die tägliche Arbeit des Personals deutlich effizienter zu gestalten. So werden zum Beispiel noch häufig die Patientendaten analog im Zimmer der Bewohner erfasst, um sie anschließend noch einmal in den Computer einzugeben. Zwar lässt sich der Fachkräftemangel nicht kurzfristig und allein durch die Digitalisierung solcher Verwaltungsprozesse aus der Welt schaffen, doch hätte das Personal dadurch mehr Zeit für die eigentliche Arbeit am und mit dem Menschen.
Waren die Schulen den Herausforderungen der Pandemie gewachsen?
An fast allen Schulen wurden gravierende Schwächen im Bereich der Digitalisierung deutlich und leider fehlt von offizieller Seite ein konsequentes und systematisches Vorgehen. Gerade den Datenschutz sehe ich hier als eine der größten Hürden, da leider die meisten Datenschützer innovative und neue Themen lieber grundsätzlich verbieten wollen als sich lösungsorientiert damit zu beschäftigen. Durch diese anhaltende Diskussion fehlen einheitliche Entscheidungen, wodurch die Lehrkräfte quasi gezwungen wurden ihren eigenen Weg zu gehen. Somit nutzte der eine Microsoft Teams für den Unterricht von zuhause und ein anderer beispielsweise Zoom. Ob diese vielen Insellösungen datenschutzrechtlich zielführender sind, wage ich zu bezweifeln. Zumindest bayernweit wäre hier eine einheitliche Vorgehensweise mit klaren Vorgaben und die zügige Umsetzung einer Lösung wünschenswert.
Im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit der Berufsschule Bonn erlebten wir, welche Herausforderungen die durch Corona stark beschleunigte Digitalisierung für Schulen mit sich bringt. Zwar entstehen aufgrund der staatlichen Finanzierung keine unmittelbaren Finanzlücken, doch durch den erhöhten Aufwand bei der Umsetzung der Schutzmaßnahmen fehlen die Kapazitäten zur Umsetzung innovativer Projekte.
Als aktiver Sportler, wie siehst du die Lage in den Sportvereinen?
Als Sportler und ehemaliger Vorsitzender in meinem Radlverein sehe ich natürlich die Probleme, mit denen die Sportvereine derzeit zu kämpfen haben. Das gesamte Vereinsleben ist stark betroffen, zumal aktuell wieder nur Individualsportarten erlaubt sind.
Vereine die von Zuschauereinnahmen oder Großveranstaltungen leben, wie zum Beispiel dem Arber Radmarathon oder dem Triathlon in Roth mit mehreren Tausend zahlenden Teilnehmern, verlieren fast gänzlich die Basis zur Finanzierung. Zwar laufen die Mitgliedsbeiträge weiter, doch können sie allein die fortlaufenden Kosten für Sportstätten oder Angestellte häufig nur bedingt ausgleichen. Womöglich werden auch einige Sponsoren aus der Wirtschaft wegen Corona das Sponsoring reduzieren oder sogar komplett einstellen. Es bleibt auch spannend, wie die öffentlichen Zulagen in naher Zukunft ausfallen werden, wenn die öffentlichen Kassen sich leeren.
Hast du zum Abschluss noch einen Fall, in dem der Umgang mit der Krise besonders gut funktioniert hat?
Ein positives Beispiel für gelungenes Krisenmanagement gab es bei Schulbegleitungen, zum Beispiel für behinderte Kinder. Als die Schulen geschlossen waren, wurden die Begleiter sehr schnell und pragmatisch in anderen Bereichen eingesetzt und die Träger erhielten weiter die Kostenerstattungen. Sie unterstützten beispielsweise in Altenheimen oder halfen in Gesundheitsämtern bei der Corona-Nachverfolgung.
Vielen Dank Florian für diese Einblicke in die Branche! Wir wünschen all unseren Partnern und Kunden, dass sie gut durch diese herausfordernde Zeit kommen und stehen ihnen jederzeit unterstützend zur Seite.
Florian Owen
Als langjähriger Abteilungsleiter von digatus.care leitet er umfangreiche IT-Strategieprojekte, unterstützt Digitalisierungsvorhaben in der Sozialwirtschaft und ist unser Bauexperte. Seine technische Ausbildung kombiniert mit seiner betriebswirtschaftlichen Erfahrung machen ihn zum idealen Ansprechpartner für individuelle, innovative technische Lösungen.