Wie sieht Digitalisierung in der sozialen Branche aus?
In der Kommunikation mit Klienten und Patienten gewinnt die Onlineberatung zunehmend an Bedeutung und es existiert bereits heute ein vielfältiges Angebot, von der Hilfe bei Suizidgefahr über die Schuldenberatung bis hin zur Beratung von Schwangeren. Daneben kommen auch vermehrt digitale und technologische Hilfsmittel zum Einsatz. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum wird bei der Caritas zum Beispiel gerade ein Pflegeroboter in einem Alten- und Pflegeheim getestet, welcher bislang sehr positiv bei den Patienten ankommt. Innerhalb der sozialen Organisationen und Einrichtungen geht es im Rahmen der Digitalisierung vorrangig darum, bestehende Prozesse zunächst digital zu erfassen und abzubilden, um sie durch den Einsatz digitaler Lösungen anschließend zu automatisieren und zu optimieren. Auch an dieser Stelle ist der Einsatz digitaler Hilfsmittel denkbar, um die Auslastung der Mitarbeiter zu verringern und somit mehr Zeit für die Betreuung und Pflege zu schaffen.
Impulsgeber für einen höheren Digitalisierungsgrad
Digitalisierung bedeutet auch gleichzeitig Veränderung. Anstöße für diese Transformation kommen aus den unterschiedlichsten Richtungen und werden durch viele verschiedene Faktoren beeinflusst. Zu den besonders entscheidenden Treibern zählen:
- Markt und Wettbewerb
- Kostendruck
- Bedarf und Leistungen
- Mitarbeiter
Treiber und Einflussfaktoren der Digitalisierung in der Sozialwirtschaft
Markt und Wettbewerb
Die stabile und stetig wachsende Nachfrage, unter anderem bedingt durch den demografischen Wandel, sorgt für ein kontinuierliches und krisenresistentes Marktwachstum. So belief sich, um nur das Beispiel Pflege zu nehmen, die Zahl der Pflegebedürftigen in 2017 auf 3,4 Millionen Menschen. Entsprechend stieg die Zahl der Pflegeheime in Deutschland zwischen 1990 und 2017 um rund 60%.
Jedoch drängen verstärkt private Konzerne in den Markt und machen den gemeinnützigen Einrichtungen, insbesondere in bestimmten Segmenten wie der Altenpflege oder im Bereich der Schulen und Krankenhäuser Konkurrenz. Sie verfügen oftmals über mehr Kapital als die bereits etablierten kirchlichen, kommunalen oder staatlichen Organisationen. Außerdem sind sie deutlich effizienzorientierter. Wie schwierig die Lage durch die zunehmende Privatisierung beispielsweise im Bereich der Pflege ist, verdeutlichten Diakonie, Caritas und Arbeiterwohlfahrt während ihres letzten Bezirkstags in Würzburg. Sie wollen die Ausbildung zur Pflegefachkraft sowie die Pflegeberufe an sich attraktiver zu machen.
Kostendruck
Kostenträger wie beispielsweise Krankenkassen, Kommunen und Länder als Zuschussgeber lassen wenig Spielräume bei den Entgelten zu und verlangen sehr detaillierte Abrechnungsnachweise. Daneben führen Gesetze und sonstige Regulierungen zu hohen administrativen Aufwänden, beispielsweise bei der Abrechnung der Leistungen oder der Verwaltung personenbezogener Daten. Gleichzeitig steigen die Lohnkosten kontinuierlich. Durch Digitalisierung lässt sich vor allen Dingen der Verwaltungsaufwand erheblich reduzieren. Damit können die sozialen Unternehmen dem Kostendruck besser standhalten.
Bedarf und Leistungen
In der Sozialwirtschaft gilt es sehr vielfältige Dienstleistungen für äußerst unterschiedliche Zielgruppen zu erbringen, darunter ältere oder kranke Menschen, Kinder sowie Flüchtlinge und Schutzsuchende. Darüber hinaus steigen die Ansprüche der Menschen an gute Betreuung und Pflege, weshalb auch der Anteil an intensiver Kommunikations- und Beziehungsarbeit in der sozialen Branche zunimmt und an Bedeutung gewinnt. Auch die Nachfrage nach digitalen Angeboten, besserer Online-Erreichbarkeit und dem Einsatz neuer Medien nimmt zu.
Mitarbeiter
Organisationen im Bereich der Sozialwirtschaft sehen sich zunehmend mit den Auswirkungen des vorherrschenden Fachkräftemangels konfrontiert, wodurch die Auslastung der bestehenden Mitarbeiter erheblich steigt. Zusätzliche Herausforderungen ergeben sich durch den relativ hohen Mitarbeiteranteil mit nicht akademischem Hintergrund sowie Migrationshintergrund. Es gilt also sowohl unterschiedliche Ausbildungen und Qualifikationen als auch Sprachen und Kulturen unter einen Hut zu bringen. Dabei kann die Digitalisierung helfen, indem sie die Überlastung der Mitarbeiter beispielsweise durch Trainings und die Automatisierung administrativer Routineaufgaben reduziert und zusätzlich die Kommunikation verbessert. Um die eigenen Mitarbeiter dabei langfristig und nachhaltig zu unterstützen, fordert Caritas Präsident Peter Neher beispielsweise, das Thema Digitalisierung für soziale Berufe bereits in die Lehrpläne aufzunehmen.
Nachhaltige Business Transformation durch interne Veränderungsprozesse
Häufig wirken externe Parteien, wie Kunden, Patienten oder Partner, als erste und dringendste Treiber der Digitalisierung. Die eigene Entwicklung wird dabei oftmals als eher zweitrangig angesehen. Doch gerade die internen Impulsgeber führen zu einer nachhaltigen Veränderung und unterstützen die digitale Business Transformation. Um diesen Transformations-Prozess aktiv voranzutreiben und langfristig zu etablieren, muss das Augenmerk auf sie gerichtet werden: die IT-Abteilung, die einzelnen Fachbereiche sowie die Mitarbeiter.
Um den hohen Anforderungen auch in Zukunft gerecht zu werden, ist die IT-Abteilung zunehmend gefordert sich zu verändern. Es reicht nicht mehr aus, im Bereich Infrastruktur und Service Management gute Arbeit zu leisten. Die IT-Abteilung wird immer mehr zu einem unverzichtbaren Sparringpartner und agiert als Berater für die Fachbereiche. Sie muss die Geschäftsprozesse besser verstehen und proaktiv neue Lösungen suchen, anwenden und vorantreiben, wie beispielsweise digitale Kollaborationsmöglichkeiten.
Die Fachbereiche wiederum benötigen neue Methoden und Ansätze, um ganz gezielt das volle Potenzial aus der Digitalisierung zu erkennen und zu nutzen. Ein agiles Vorgehen ermöglicht es, in kurzer Zeit effektiv Probleme und Lösungsansätze zu validieren.
Der dritte entscheidende Faktor im Veränderungsprozess sind die Mitarbeiter. Egal ob IT-Experte oder Anwender, sie alle benötigen für die Umsetzung eine ausgeprägte Veränderungskompetenz. Sie müssen also vor allem eine grundlegende Offenheit für Veränderung mitbringen und Lust darauf haben, diesen Wandel aktiv mitzugestalten.
Florian Owen
Als langjähriger Abteilungsleiter von digatus.care leitet er umfangreiche IT-Strategieprojekte, unterstützt Digitalisierungsvorhaben in der Sozialwirtschaft und ist unser Bauexperte. Seine technische Ausbildung kombiniert mit seiner betriebswirtschaftlichen Erfahrung machen ihn zum idealen Ansprechpartner für individuelle, innovative technische Lösungen.