Benötigen wir in Deutschland ein Recht auf Home Office?
Im derzeitigen Arbeitsrecht finden die aktuellen Entwicklungen im Bereich der flexiblen Arbeitszeitgestaltung und Modern Workplace keine ausreichende Berücksichtigung. Die Genehmigung zur Arbeit im Home Office kann individuell in der Zusatzvereinbarung des Arbeitsvertrages festgelegt werden, eine allgemein gültige gesetzliche Regelung fehlt. Um das Arbeitsrecht besser an das digitale Zeitalter anzupassen, fordert SPD-Staatssekretär Björn Böhning nun ein gesetzlich verankertes Recht auf Home Office. Demnach sollen Unternehmen ihren Mitarbeitern zukünftig erlauben zu Hause zu arbeiten oder alternativ begründen, warum dies in ihrem Unternehmen nicht möglich ist.
Ob es tatsächlich zu einem gesetzlich geregelten Recht auf Home Office kommen wird und ob dies überhaupt der richtige Weg ist, sei an dieser Stelle dahingestellt. Die öffentliche Debatte zeigt jedoch deutlich, dass das Thema durch die immer geringeren technischen Hürden und die sich ändernde Arbeitskultur auch in der Politik immer präsenter wird.
Hierzu lohnt der Blick in die Unternehmen, in denen laut einer Studie der Bitkom 39% der Arbeitgeber ihre Mitarbeiter bereits zu Hause arbeiten lassen. Die positive Entwicklung der letzten Jahre spiegelt sich auch in der Zukunftsprognose der Befragten wieder: Die Hälfte der Unternehmen rechnet in den kommenden Jahren mit einem konstant bleibenden Anteil im Home Office tätiger Mitarbeiter und 46% erwarten sogar eine steigende Entwicklung.
Doch was spricht gegen das Arbeitsmodell?
Obwohl es sich viele Arbeitnehmer wünschen, sperren sich einige Unternehmen noch dagegen ihren Mitarbeitern die Telearbeit zu ermöglichen. Gemäß der Studie entscheiden sie sich aus verschiedenen Gründen gegen das Modell.
Gründe die für Unternehmen gegen Home Office sprechen.
Mehr als die Hälfte der Befragten sehen die Gleichberechtigung gefährdet, da Home Office nicht für alle Mitarbeiter möglich ist. Rund 56% erwarten eine sinkende Produktivität ohne den direkten Austausch mit Kollegen. In vielen Unternehmen ist Home Office generell nicht vorgesehen und einige entscheiden sich aufgrund von Arbeitsschutzbestimmungen oder schwer kontrollierbaren Arbeitszeiten dagegen. Als weitere Gründe gegen Home Office wurden anfallende Kosten für technische Ausstattung, die Gewährleistung der Datensicherheit sowie abnehmende Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen genannt.
Warum lohnt es sich trotzdem die Arbeit im Home Office zu ermöglichen?
Nicht selten kommen Mitarbeiter ins Büro, nur um anschließend von dort aus einen Großteil ihrer Zeit zu telefonieren oder an Online-Meetings teilzunehmen. Vor allem in Großraumbüros wird das von Kollegen als sehr störend empfunden, weshalb es hier besonders wichtig ist gesonderte Rückzugsmöglichkeiten für Besprechungen oder Konferenzen bereitzustellen. Stehen Mitarbeiter vor besonders komplexen Sachverhalten, die viel Konzentration erfordern, so reichen derartige Maßnahmen eventuell nicht immer aus. Dann stellt die Arbeit zu Hause eine gute Ausweichmöglichkeit dar, da man hier für gewöhnlich die nötige Ruhe vorfindet.
Durch den Einsatz moderner Tools im Unternehmen, wie beispielsweise Slack oder Skype, wird zudem die befürchtete Isolation im Home Office vermieden und die Kommunikation zwischen den Arbeitnehmern stets gewährleistet. Dazu ist es wichtig, die Medienkompetenzen der Mitarbeiter kontinuierlich zu fördern und zu schulen. Werden die eingesetzten Online Tools und Kommunikationskanäle nicht aktiv vorgelebt, besteht trotzdem die Gefahr einer Isolation.
Auf moderne Arbeitsmodelle zu setzen und im Zuge dessen den Mitarbeitern Heimarbeit zu ermöglichen, kann für Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels außerdem zum entscheidenden Faktor im War for Talents werden. Gerade für junge Arbeitnehmer ist ein flexibles und dynamisches Arbeitsumfeld oftmals ein ausschlaggebendes Kriterium bei der Jobwahl. Sie betrachten die Arbeit zuhause bereits als Standard und wichtige Voraussetzung für eine gute Work-Life-Balance.
Home Office bietet Arbeitnehmern die Möglichkeit flexibel auf eintretende Ereignisse reagieren zu können, wie beispielsweise Verzögerungen auf dem Arbeitsweg durch Streiks der öffentlichen Verkehrsmittel oder das alljährliche Schneechaos im Winter. Auch die belastende und zeitraubende Rush Hour lässt sich vermeiden, indem man den Tag zum Beispiel im Home Office beginnt und erst später ins Büro fährt. Auch für Eltern erleichtert sich durch den entfallenden Arbeitsweg die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, da sie so wertvolle Zeit sparen.
Bei kleineren Erkrankungen, wie beispielsweise einem leichten Schnupfen, wird die Gefahr der Ansteckung reduziert und die Kollegen werden weniger gestört, wenn man in diesem Fall von zu Hause aus arbeitet. Wer jedoch schwerer krank ist, ist dazu angehalten sich dennoch krankzumelden und sich auf die vollständige Genesung zu konzentrieren.
Fazit
Sowohl die Studie als auch die darin beinhaltete Argumentation gegen die Einführung von flexiblen Arbeitsmodellen zeigen, dass es sich hierbei vielmehr um eine Frage der Unternehmenskultur handelt als um strenge politische Vorschriften. Die Aufgabe der Politik besteht eher darin, zeitgemäße Rahmenbedingungen zu schaffen und somit den Weg für Unternehmen hin zum Modern Workplace zu ebnen.